Liebe, Konsum und
- 01 Dez 2015
- Autor: Tina
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die Rationalisierung der Romantik
Die 2012 erschienene App nennt sich „Tinder“ und verheißt unkomplizierte Flirts am Handy-Bildschirm. Aber in einigen Augen wird aus der „Verheißung“ eine „Verheizung“. Die renommierte US-Zeitschrift „Vanity Fair“ veröffentlichte neulich eine kritische Reportage, in der etliche Tinder-Nutzer jenem Flirt-Dienst eher den Daumen-Runter-Zeichen gaben. Aus ihrer Erfahrung habe es zu viele Fakes und/oder verheiratete Personen gegeben, und oft diene die App nur noch zu Verabredungen für schnellen Sex.
Natürlich konterte Tinder mit einem so genannten Shitstorm und mit User-Statisten, die ein besseres Bild der Praktiken entstehen lassen sollten. Wie dem auch sei: „Tinder“ ist nicht mit dem englischen Begriff „tender“ zu verwechseln. Denn bei eben jener Flirt-App geht es eben um das Flirten und nicht um die Pflege der Zärtlichkeit.
Die kritische Reportage traf einen Nerv. Doch auch die wachsende Popularität solcher Apps zeigt, dass es heutzutage eine wunde Stelle gibt. Während sich Bildschirm-Flirts mit Wildfremden regen Zulaufs erfreuen, bleiben Tugenden wie Verantwortungsgefühle, Verbindlichkeit und Verbundenheit gleichsam auf der Strecke. Früher traf Amors Pfeil mitten ins Herz, heute offenbaren Apps und Algorithmen die Achillesferse unserer Gesellschaft.
Für die israelische Soziologin Eva Illouz, Autorin des Buches „Konsum der Romantik“, sind diese bedauerlichen Entwicklungen allerdings nicht überraschend. Denn „die kommerzialisierte Sprache der individuellen Selbstverwirklichung ist im Augenblick die einzige, die wir gut genug verstehen, um unsere Beziehungen einem Projekt der Autonomie, der Gleichberechtigung und der emotionalen Erfüllung zu eröffnen“.
Auch der neue Film des Schweizers Kaspar Kasics „Yes, No, Maybe“ geht diesbezüglich auf Spurensuche und bringt die Schattenseite moderner Beziehungen ans Tageslicht. Ist die Liebe nur noch eine Utopie? Warum gehen Menschen und somit Familien immer häufiger auseinander? Mittlerweile ist es nicht mehr so außergewöhnlich, dass ein Mensch parallel laufend drei, vier oder sogar fünf „Liebesbeziehungen“ pflegt – oder zu pflegen versucht. Der Egoismus hat sich in den Vordergrund gedrängt. Die Treue weicht der Triebbefriedigung. So verkommt die Liebe scheinbar zu einem Konsumgut.
In unserer schnelllebigen Welt gewöhnen sich immer mehr Menschen daran, Partner per Mausklick zu wählen – oder sie mit einem Wischen über den Bildschirm aus der Kartei der Kandidaten zu entfernen. Wohl bemerkt, ohne sie persönlich kennengelernt zu haben. Das angebliche Kennenlernen in solchen Foren findet höchstens in Chats statt. Chats ersetzen echte Konversationen, Hemmungslosigkeit verdrängt die Höflichkeit. Bereits in der ersten elektropostalischen Kontaktaufnahme wird nach Vorlieben beim Vorspiel gefragt.
Stoßen solche Entwicklungen auch Ihnen übel auf? Da sind Sie, Gott sei Dank, nicht alleine. Es gibt sie noch, Partnersuchende, die Wert auf Verbindlichkeit und Geborgenheit legen. Diese Menschen werden Sie jedoch kaum über Dating-Apps entdecken.
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