Herzensbildung
- 03 Sep 2012
- Autor: Tina
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Deutschland friert. Die Kälte durchdringt alle Schichten.
Sie erfasst Jung und Alt. Sie beherrscht die Straßen unserer Städte, die Büros, in denen wir arbeiten, alle Orte, an denen Menschen zusammenkommen. Und wer glaubt, in der Familie Zuflucht und Wärme zu finden, wird auch dort nur allzu oft enttäuscht.
Die Rede ist von sozialer Kälte, von Egoismus, Gleichgültigkeit und Verrohung. Von einer Gesellschaft, die Unterstützung, Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft an ehrenamtliche Organisationen ausgelagert hat. In der bereits Grundschüler psychologischen Beistands bedürfen, in der gemobbt, übervorteilt und nachgetreten wird. In der das antrainierte „Schönen Tag noch“ an der Supermarktkasse die einzige Freundlichkeit ist, die wohlfeil zu haben ist. Herzensbildung – geht sie in unserer Zeit über unsere Kraft?
Ein Zeichen gegen Ellbogen-Mentalität haben die Eltern einer brandenburgischen Schule schon vor zwanzig Jahren gesetzt. Auf ihre Initiative hin wird seitdem an der Evangelischen Schule Neuruppin „Herzensbildung“ als Pflichtfach unterrichtet: Respekt, Toleranz, Aufmerksamkeit, Einfühlungsvermögen stehen auf dem Stundenplan. Man wolle den „Mut zum Andersdenken pflegen“, so die Rektorin. Ihre Schüler sollen „Halt im Leben finden“.
Dieses Jahr wurde das Institut mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet. „Die Schüler werden im täglichen Schulbetrieb für ethisch-soziale Fragen sensibilisiert und lernen früh Verantwortung zu tragen“, wie es bei der Verleihung in Berlin anerkennend hieß. Wie wertvoll das Engagement dieser Schule ist, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich vermittelte die Mutter eines Absolventen und lernte also auch diesen kennen. Es war für mich eine faszinierende Begegnung. Ich traf einen jungen Menschen, feinsinnig, charakterstark, sensibilisiert für ethische und soziale Fragen – und voll Lebensfreude. Jemanden, der seinen „Halt im Leben“ zweifellos bereits gefunden hatte und ihn an alle, die ihm begegnen, weitergeben wird.
Herzlose Menschen gibt es reichlich. Es genügt, mit offenen Augen durch die Straßen zu gehen. Dass diese Menschen permanent auf Ablehnung stoßen, verwundert nicht. Dass sie in ihrem Inneren zutiefst unglücklich sind, sieht man ihnen schon im flüchtigen Vorbeigehen an. Dass Sie sich überall also auch in der Partnersuche enorm schwer tun, verwundert wohl nicht.
Herzensbildung hat für mich nichts mit großen Gesten zu tun. Es geht nicht um Wohltätigkeit, noch nicht einmal um soziales Engagement. Es geht darum, den Anderen wahrzunehmen und anzunehmen. „Es ist das Herz, das gibt, die Hände geben nur her“, sagt ein afrikanisches Sprichwort. Daran sollten wir stets denken.
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